Jugendstrafrecht

Das Jugendstrafrecht ist in der letzten Zeit zunehmend ins Gerede gekommen. In der politischen Auseinandersetzung wird dabei sehr schnell gefordert, die Strafen härter ausfallen zu lassen, damit die straffälligen Jugendlichen nicht so schnell wieder auf freien Fuß kommen und wir vor ihnen geschützt sind.

Das ist aber der völlig falsche Ansatz. Es geht nicht darum, straffällige Jugendliche wegzusperren. Das wäre ein Offenbarungseid, denn diese Forderung verdrängt, dass wir als Eltern, Verwandte, Nachbarn, Mitschüler, Lehrer, Freunde, sprich: als Gesellschaft versagt haben.

Es geht darum, sowohl den Opfern als auch den Jugendlichen zu helfen. Die Hilfe soll dazu dienen, auf der einen Seite dem Bestreben des Opfers auf Ausgleich und Verständnis zu entsprechen. Auf der anderen Seite soll den straffälligen Jugendlichen vor Augen geführt werden, was sie falsch gemacht haben und dass sie sich mit diesem Verhalten an den Rand der Gesellschaft begeben. Die Jugendhaft kann erst das letzte Mittel sein.

Hilfe ist nicht als bloßes Geben zu verstehen. Viel mehr ist der Jugendliche dazu zu bringen, dass er sich aktiv mit dem auseinandersetzt, was er anderen angetan hat. Das wird nicht durch Wegsperren in die Jugendstrafanstalt erreicht. Dort setzt man sich weniger mit dem Opfer als viel mehr mit anderen Tätern auseinander.

Gerade bei Gewalttaten muss dieses auch bedeuten, dass die Jugendlichen mit den Folgen ihrer Taten konfrontiert werden. Das kann durch betreute Besuche in Krankenhäusern ebenso erfolgen wie durch (begleitete) Aussprachen in Opfergruppen. Genauso gehört der Täter-Opfer-Ausgleich dazu. Diese Möglichkeit der Verbrechensaufarbeitung ist zu nutzen.

Wenn wir tatsächlich gleich nach dem "Knast" rufen, eröffnen wir einen Kreislauf, aus dem sich der Jugendliche erst recht nicht mehr befreien kann. Die Statistiken zeigen es auf: der Anteil der Wiederholungstäter, die zudem noch rabiater vorgehen, ist bei den entlassenen Jugendlichen besonders hoch. Das bedeutet, dass wir das Problem mit dem "Wegsperren" nur aufschieben, aber nicht lösen.

Oberstes Gebot des Jugendstrafrechts sollte deshalb die angemessene, aber umgehende Reaktion auf die Straftat sein.

Das will auch der Gesetzgeber, ohne aber die Justiz entsprechend auszustatten. Staatsanwaltschaft und Gerichte sind überfordert.

Wir erkennen dieses Problem und versuchen, bereits im frühen Ermittlungsverfahren in Zusammenarbeit mit Eltern, Jugendamt und dem Jugendlichen die Taten aufzuarbeiten und persönliche Konsequenzen aufzuzeigen. Unsere Hilfe sieht nicht so aus, dass wir nur über das Strafverfahren reden und dann bloß noch das Plädoyer (den Schlussvortrag) ausklügeln. Wir wollen gemeinsam mit dem Täter und möglichst auch dem Opfer einen Ausgleich suchen.

Hilfe heißt für uns aber nicht nur fördern sondern auch fordern. Von unseren jugendlichen Mandanten verlangen wir die aktive und ehrliche Mitarbeit. Die von uns geforderte Auseinandersetzung ist oft nicht leicht.

Eins darf man nicht vergessen: bei der Bestimmung der Strafe durch das Gericht spielt nicht nur die Tat, das soziale Umfeld und das Motiv eine Rolle. Es wird auch darauf geschaut (in unseren Augen unrühmliche Ausnahme: III. Große Strafkammer als Jugendkammer des Landgerichts Neubrandenburg, Az. 8 KLs 11/07), wie der straffällige Jugendliche aus der Tat gelernt hat und ob "schädliche Neigungen", auf die nur mit Jugendhaft statt mit anderen erzieherischen Mitteln reagiert werden kann, tatsächlich bestehen.